Ein Erbe, das wir annehmen sollten

Widerstand gegen den NS

Am vergangenen Montag eröffnete Dr. Axel Smend aus Berlin erneut die Ausstellung „Was konnten sie tun?“ in der Mensa der MEG. Herr Smend ist Z(w)eitzeuge, denn sein Vater war einer derjenigen, die im Zusammenhang des militärisch-zivilen Widerstands und des Attentat-Versuchs vom 20. Juli 1944 hingerichtet wurden. Am Abend erschienen zahlreiche Eltern und Kolleg:innen, aber in erster Linie aktuelle und ehemalige Schül:erinnen der MEG, um dem Vortrag zuzuhören und im Anschluss mit Herrn Smend ins Gespräch zu kommen.

Herr Smend wandte sich an sein Publikum und schilderte eindrücklich die damalige Zeit, um zu verstehen, welches Verdienst die Menschen im Widerstand leisteten, denn ihnen war bewusst, dass ihre Aktionen für sich selbst und ihre Familien Repressalien bis hin zum Tod bedeuten konnten. Die Ausstellung zeigt insgesamt 25 verschiedene Personen, die ganz unterschiedlichen Widerstandskreisen angehörten oder auch allein agierten, ihre Taten reichen von Zettel kleben und Feindsender abhören über aktive Unterstützung von Verfolgten des NS-Regimes bis hin zu Attentatsversuchen. Die Widerstandskämpfer:innen entstammen allen sozialen Schichten und auch Altersklassen – in der Ausstellung erhalten alle ein Gesicht und alle Geschichten sind wichtig, es gibt keine Hervorhebung von Einzelnen. Genau das schildert Smend, denn er geht von der -stark unterschiedlichen – Motivation der Akteur:innen aus, Widerstand zu leisten.

Georg Elser war ein Einzelkämpfer, der schon früh äußerte, dass das Blutvergießen ein Ende finden muss – nur so ist seine Motivation verständlich, eine Bombe zu bauen, diese heimlich zu platzieren – einzig das schlechte Wetter dieses Tages und der dadurch veränderte Zeitplan verhinderten seinen Erfolg.

Andere junge Menschen, wie die Akteur:innen der „Weißen Rose“ aus München, wollten aufklären, aufklären über die Propaganda der Nationalsozialisten und benennen, was wirklich ist. In ihren Flugblättern schildern sie, wie der Krieg wirklich ist, wie geschwächt die deutsche Wehrmacht ist, sie rufen auf, sich gegen Hitler und den Nationalsozialismus zu stellen. Sophie Scholls Worte, die sie Freisler, dem Richter des Volksgerichtshofs, nach der Verkündung ihres Todesurteils sagt, fassen all dies zusammen: „Einer musste ja mal anfangen.“

Wieder andere, so Smend, machten sich Gedanken um das, was nach dem Ende des NS sein könnte, sein sollte. So traf sich eine Gruppe von Akteuren in Kreisau, dem Landsitz von Helmuth James Graf von Moltke. Er und Peter Graf York von Wartenburg sind die führenden Köpfe einer Idee, die sich selbst als „überparteiliche Volksbewegung zur Rettung Deutschlands“ versteht. Recht und Gerechtigkeit, Freiheit und Europa sind Leitideen.

Auch der 18-Jährigen Liane Berkowitz ging es um Aufklärung, sie klebte mit ihrem Verlobten Zettel in Berlin, die die Bevölkerung wachrütteln sollten. Sie gehörten der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ an. Als sie festgenommen wurde, erwarteten sie und ihr Verlobter ein Kind, das durfte sie noch gebären, danach wurde das Todesurteil vollstreckt. Besonders dieses Schicksal berührte die Schül:erinnen merklich, war sie doch ihr Alter. Smend entschuldigt sich, dass er solch grausame Dinge erzählen muss, aber sie entsprechen der Wahrheit und zeigen, wie wichtig es ist, Bescheid zu wissen, sich zu informieren und auch Haltung zu zeigen.

Zumal – und das ist dem Zeitzeugen wichtig – wir in einer Demokratie leben, die uns Möglichkeiten zum Protest und zum Demonstrieren gibt, in der Haltung zeigen nicht vom Tod bedroht ist. Aber genau deshalb muss man dieses Erbe der Widerstandskämpfer:innen annehmen.

Zum Abschluss erzählt Smend seine eigene Geschichte, die Geschichte, warum er bei uns in der MEG ist, warum das Thema „Widerstand“ so wichtig für ihn ist. Sein Vater, Günther Smend, war Adjutant von Zeitzler, der damals Generaloberst war. Smend hatte zu diesem Zeitpunkt schon enge Kontakte zu anderen Generälen und Offizieren, die alle der Ansicht waren, dass eine Niederlage Deutschlands bevorstehe und dass „die Majestät des Rechts“ wiederhergestellt werden müssen. Das Attentat war für den 20. Juli 1944 geplant – jedoch brauchten die Verschwörer unbedingt Menschen an entscheidenden Positionen des Staates und des Heeres, die am 21. Juli – am Tag nach dem hoffentlich geglückten Attentat – Befehle erteilen und neue Positionen einnehmen konnten. So versucht Günther Smend Zeitzler zum Mitmachen beim Staatsstreich zu gewinnen. Dieser lehnt zwar ab, verrät Smend aber auch nicht. Nachdem das Attentat gescheitert war, wurden Mitwissende ausfindig gemacht und hingerichtet – die letzten noch im April 1945. Günther Smend wurde mit 31 Jahren am 8. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Für Axel Smend, seine Geschwister, aber vor allem seine Mutter begann eine harte Zeit, wie er auf Rückfragen von Schülern erzählt. Freunde gab es keine mehr, die Wohnung musste verlassen werden und auch noch in den 1950er Jahren tat ein Lehrer die schlechten Schulleistungen des Schülers Axel damit ab, dass er ja das Kind eines Verräters sei. Smend erklärt, dass diese Äußerung möglich war, weil viele Lehrer und Professoren nach dem Ende der Diktatur in ihren Ämtern geblieben waren und nichts an ihren rechten Gedanken verloren hatten.

Am Ende des offiziellen Teils suchten weitere Schül:erinnen, aber auch Eltern das persönliche Gespräch mit Herrn Smend und lasen die Aufsteller der Ausstellung. Die Ausstellung steht unseren Schül:erinnen noch bis Ende des Monats zur Verfügung. Kolleg:innen können diese mit ihren Klassen und Kursen besuchen.

Wir danken Herrn Smend für seinen Besuch bei uns in Köln und hoffen schon jetzt, dass er auch im Jahr 2025 zur Eröffnung der Ausstellung anreisen kann. Das Thema „Widerstand gegen den NS“ und ein klares Haltung zeigen sind uns wichtig – und das nicht nur, weil wir Schule ohne Rassismus mit Courage sind.

(Julia Haggenmiller)