Geld. Das ist kein Zuhause

Beim Foto-Wettbewerb der SK-Stiftung Kultur „Geld. Das ist kein Zuhause“ gewannen vier Schülerinnen und Schüler der Max-Ernst-Gesamtschule

Bei der Preisverleihung am 3. Juli 2014 ging der erste Preis an die Abiturientin Lara Wood





           (Wettbewerbsbeitrag von Lara Wood: zwei aus einer Serie von insgesamt fünf Fotos)


"Geld zerstört"

Der grundlegende Gedanke meiner Arbeit war es, möglichst verschiedene Beziehungen von Menschen zu Geld darzustellen. Das erste Bild zeigt zwei wohlhabende Menschen, die getrieben von der Gier nach immer mehr, um Geld kämpfen. Das nächste Bild steht im Gegensatz zum ersten Bild. Es stellt eine Person dar, die egal mit welchen Bemühungen niemals den Wohlstand erreichen wird. […]

Begründung der Jury:

Bei den ausgewählten Werken handelt es sich um zwei inszenierte, schwarz-weiße Fotografien im Querformat. Auf dem ersten Bild mittig zum unteren Bildrand sind zwei junge miteinander kämpfende Männer in Anzügen und Krawatten zu sehen. Der Blick aus ihren schreienden Gesichtern geht in die Kamera zum Betrachter und gleichzeitig hin auf einen in der Luft baumelnden Geldschein. Der Geldschein hängt an einer Angel, welche von der rechten Seite in das Bild gehalten wird. Die Angel wirft ihren Schatten auf die dahinterliegende, helle, monochrome Wand. Beim Kampf ums Geld – so die interpretierte Sichtweise von Lara Wood – werden die sonst so zivilisierten, jungen Männer in ihren Anzügen handgreiflich. Eine andere Lesart ist: Das Geld hat die jungen Menschen an der Angel und am Haken.

Bei der zweiten Fotografie ist eine junge Frau mit ausgestreckten Armen und gespreizten Fingern im Fokus, die von der rechten Bildseite auf dem Bauch nach einem auf dem Boden liegenden Geldschein zu greifen versucht. Mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms oder einer Doppelbelichtung erscheinen die Hände unterschiedlich nah zum Geldschein. Ein Rhythmus von Erscheinen und Verschwinden der Hände entsteht. Entscheidend ist jedoch, dass das Mädchen trotz aller Anstrengungen das Geld und damit Wohlstand nie erreichen kann. Ihre Hände greifen immer ins Leere.

Beide Fotografien sind formal sehr klar und reduziert aufgebaut, was zusätzlich durch die schwarz-weiß-Ästhetik unterstrichen wird. Dem Blick in die emotionsgeladenen Gesichter der jungen Männer steht die junge Frau mit dem Gesicht am Boden gegenüber. Der Betrachter erkennt nur den Hinterkopf zwischen den Armen. Die Armut kommt damit gesichtslos daher. Die beiden Fotos zeigen eine komplexe und sensible Sichtweise des Geldthemas und überzeugten die Jury nicht zuletzt mit ihrer einfachen, radikalen Bildsprache auf hohem technischen und gestalterischen Niveau.




Platz zwei belegte die Abiturientin Mihriban Oragaz






(Wettbewerbsbeitrag von Mihriban Oragaz, Serie mit vier Fotos)

Begründung der Jury:

Im Wettbewerb „Geld. Das ist kein Zuhause“ wird die vierteilige Bilderserie der Schülerin Mihriban Oragaz mit dem zweiten Preis ausgezeichnet.

Die vier Fotografien im Hochformat wirken auf den ersten Blick wie alltägliche Schnappschüsse einer Handykamera, auf einen zweiten Blick stellt sich jedoch heraus, dass es sich hier um inszenierte, rätselhafte Such-Bilder handelt, die voll hintergründiger Spannung stecken:

Das erste Bild zeigt eine Hand, die zum Öffnen einer Tür Geldscheine als Schlüssel benutzt, und im Begriff ist, diese in das Schlüsselloch zu stopfen. Auf dem zweiten Bild hält eine Hand einen Fächer aus Geldscheinen zum Fenster hinaus, auf Bild drei und vier sitzt ein junges Mädchen gebeugt auf den Stufen vor einer Haustür, ihr Gesicht unter einem dichten dunklen Haarschopf verborgen. Vielleicht ausgesperrt oder auf jemanden wartend, verharrt sie auf den Stufen vor der Tür, sortiert versunken Geldscheine, die sie auf dem folgenden Bild in rätselhafter Weise mit Kieselsteinen auf den Stufen fixiert. Weitere Geldscheine hat sie auf und in ihren Schuhen drapiert.

Je länger man die Bildfolge betrachtet, desto mehr Fragen drängen sich dem Betrachter auf. Mihriban Oragaz‘ Kompositionen entpuppen sich bei näherer Betrachtung als gleichzeitig rätselhaft und intensiv – sie scheinen sich der menschlichen Logik zu widersetzen und spielen mit Andeutungen und Assoziationen. Mit fragilem Banknotenpapier eine verschlossene Tür zu öffnen – eine Traumsequenz? Oder ein politischer Kommentar? Bild zwei ruft dem Betrachter zwar die geläufige Redewendung “das Geld zum Fenster hinaus werfen” ins Gedächtnis, die Hand, die den Geldfächer hält, scheint das Geld jedoch gar nicht aus dem Fenster werfen zu wollen, sondern hält die Banknoten mit graziler Hand nach draußen. Die Geldscheine befinden sich nicht im Mittelpunkt des Bildes; lässig angeschnitten und beiläufig am Rand rangiert der Fächer. Irritiert versucht das Gehirn, den Geldscheinfächer (der Reichtum und Luxus verspricht) mit der Klinkersiedlung im Hintergrund in Einklang zu bringen. Auch Bild drei und vier klären die Situation nicht auf, es bleibt ein wohl gehütetes Geheimnis, was das Mädchen auf den Stufen wirklich vorhat.

Diese rätselhafen, beinahe schroffen Bilder, zaubern dem Betrachter ob ihrer Absurdität ein irritierendes Lächeln auf die Lippen und erinnern dabei an den Entwicklungsprozess eines Foto-Negativs: Ein Hauch des Unfertigen verbleibt in ihnen – um das, was nicht gezeigt wird, scheint es hier zu gehen: die absurde Funktion von Geld, vom Besitz. Die Geldscheine fungieren als untauglicher Türöffner, mit dem sich das eigene Heim nicht öffnen lässt, als Fächer ohne Funktion, als auf dem Boden abgelegte Artefakte, von denen man scheinbar völlig vergessen hat, was sie bedeuten und wozu sie nützlich sein könnten. Mihriban Oragaz‘ Fotografien sind scheinbar unspektakulär gehalten, Belichtung und Bildausschnitt erzählen eine Schnappschuss-Ästhetik, die Authentizität suggeriert. Sie setzen sich stark von gängiger Hochglanzfotografie ab und verstärken durch ihre formale „roughness“ die Rätselhaftigkeit der Bilderserie. Mihriban Oragaz führt in einer beschwingten Beiläufigkeit die Wichtigkeit und Bedeutung von Geld ad absurdum.



Platz vier wurde zweifach vergeben: an Ayse Gözütok



                                                    (Wettbewerbsbeitrag von Ayse Gözütok)


Begründung der Jury:

Die Schülerin Ayse Gözütok hat für den Wettbewerb „Geld. Das ist kein Zuhause“ ein zweiteiliges fotografisches Bild eingereicht, bestehend aus gleichgroßen, nebeneinander angeordneten, hochformatigen Hälften. Der linke Teil zeigt verschiedene Euro-Geldscheine, die kreuz und quer übereinander liegen, der rechte bildet den Ausschnitt einer Fassade eines mehrstöckigen Mietshauses. Die beiden Bildteile werden durch ein in der Mitte platziertes rotes Ungleichzeichen verbunden, am oberen Rand ins Bild gesetzt ist ebenfalls in roter Schrift das Motto des Wettbewerbs zu lesen.

Die Bild-Wort-Collage von Ayse Gözütok zeichnet sich besonders durch einen überzeugenden Umgang mit der Bildfläche aus. Den ungeordneten Geldscheinen steht die klar gegliederte Hausfront dialogisch gegenüber. Auch farblich ist das Prinzip der Gegenüberstellung weitergeführt, die Geldscheine haben mehrere unterschiedliche Farben, bei der Hausfassade hingegen dominiert Orange und Grau. Ayse Gözütok hat das Motto des Wettbewerbs direkt aufgefasst und in eine visuelle Form mit eindeutiger Botschaft umgesetzt, an das Mediums eines Plakates erinnernd. „Geld“ und „Zuhause“ scheinen für sie gegensätzliche Komponenten zu sein, die zwar beide gleichermaßen von Bedeutung sind, aber unabhängig voneinander existieren.



Der zweite Platz vier wurde vergeben an den Abiturienten Burak Gürle



                                                    (Wettbewerbsbeitrag von Burak Gürle)


Begründung der Jury:

Der Schüler Burak Gürle nimmt das Motto des Wettbewerbs „Geld. Das ist kein Zuhause“ und kehrt es um. Auf seiner inszenierten Fotografie „Wie ein Vogel im goldenen Käfig“ ist ein Haus zu sehen – gebaut aus Lego und Geldscheinen, errichtet auf einem Haufen aus Münzen. Auf dem Balkon steht eine Figur in Sträflingskleidung, bedrängt von Geldstücken, mit denen das Haus gefüllt ist. Hier ist Geld ein Zuhause. Gleichermaßen ist es Wand, Decke und Fundament. Geld baut das Haus auf – doch wird das Heim zu einem bedrückenden Gefängnis. Der Käfig mag noch so golden sein, er bleibt ein Käfig. Der Reichtum führt zur Unfreiheit. Burak Gürle besticht mit der spielerischen und gekonnten Umsetzung dieser Aussage. Seine Fotografie konzentriert sich auf das Bildobjekt und präsentiert die Idee ohne Umschweife oder Ablenkungen in goldenem Licht.



Allen einen ganz herzlichen Glückwunsch!


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